Der Reiz des Zufalls: Warum Glücksspiel so faszinierend ist
Glücksspiel begleitet die Menschheit schon seit unseren frühesten Anfängen. Doch warum hat die Chance auf einen zufälligen Gewinn so einen Reiz für uns? Die Antwort auf die Frage finden wir in unserem Gehirn, genauer gesagt im Belohnungs- und Lernzentrum.
Belohnungen im Glücksspiel wirken sich auf Dopamine, dem sog. Glückshormone aus und können unser Verhalten langfristig beeinflussen. Daher lohnt es sich Prozesse, die dahinterstecken genauer unter die Lupe zu nehmen, um zu verstehen, was in unserem Körper passiert und wie man Reaktionen im Glücksspiel beeinflussen kann.
Klassisches Konditionieren: Warum immer belohnt werden langweilt
Beim klassischen Konditionieren möchte man ein bestimmtes Verhalten antrainieren, wie zum Beispiel, dass ein Hund das Läuten einer Glocke mit Futter verbindet. Um das zu erreichen, läutet man einfach eine Glocke, bevor man das Futter präsentiert und nach einer bestimmten Zeit wird der Hund nur durch das Glockenläuten die gleichen Hormone wie beim Fressen ausgestoßen.
Diese Verbindungen formen sich schnell, verschwinden aber auch genauso schnell, wenn die Belohnung ausbleibt. Außerdem schwächt sich der Dopaminausstoß mit der Zeit ab und die Glocke wird einen schwächeren Effekt auslösen. Das klassische Konditionieren zeigt also, dass eine garantierte Belohnung uns nach einer gewissen Zeit, salopp gesagt, langweilt. Das ist auch verständlich, wenn man sich vorstellt, dass man beim Glücksspiel immer gewinnen würde, ausgenommen vom finanziellen Vorteil natürlich.
Operantes Konditionieren: Der Zufall macht es
Um den Reiz des Zufalls müssen wir uns das operante Konditionieren anschauen. Beim operanten Konditionieren wird zuerst ein Verhalten gezeigt, das dann belohnt bzw. bestraft wird. Diese Folge des Verhaltens steigert oder verringert die Wahrscheinlichkeit, dass das Verhalten erneut auftritt. Dabei ist es wichtig, dass die Belohnung zeitlich eng zum Verhalten präsentiert wird, das wird später noch relevant.
Dieses Prinzip wurde durch B. F. Skinner weiterentwickelt, was letztendlich zu der Entwicklung der sog. Skinner Box führte. Eine kleine Box mit einem Button, den man drückt und bei dem nach einer zufälligen Anzahl an Knopfdrücken eine Belohnung herausfällt. Klingt bekannt, oder?
Die interessantesten Erkenntnisse, die Skinner durch seine Box gewann, waren, dass jede Art von regelmäßiger Belohnung weniger effektiv war als eine zufällige. Es war egal, ob nach jedem zweiten, vierten, sechsten oder zwanzigsten Mal die Belohnung präsentiert wurde, irgendwann setzte sich derselbe “Langeweile” Effekt ein wie beim klassischen Konditionieren. Wenn aber alles zufällig war, dann setzte keine Langweile ein. Außerdem wurde klar, dass die Belohnung schnell präsentiert werden muss, da schon wenige Sekunden den Effekt abschwächen. Deshalb haben viele Glücksspielregulierungen eine Vorgabe, dass Spins, zum Beispiel 5 Sekunden oder länger sein müssen. Der Grund hierfür: Dopamine.
Doch was passiert im Gehirn?
Prinzipiell werden jedes Mal, wenn wir mit etwas Positivem konfrontiert werden, Dopamin und andere Hormone bzw. Neurotransmitter freigesetzt. Interessanterweise geschieht der gleiche Vorgang auch wenn wir mit der Möglichkeit konfrontiert werden, dass etwas Positives passieren könnte und das mit derselben Stärke. Einzige Voraussetzung: man hat die Verbindung vorher gelernt.
So wird dann zum Beispiel bei jedem Knopfdruck eine kleine Menge Dopamine freigesetzt und wir spielen weiter, um immer wieder diesen Kick zu bekommen. Das erklärt, warum wir tendenziell an bewährten Strategien oder Verhaltensweisen festhalten. Wir haben gelernt, dass dieses Verhalten mit Dopamin belohnt wird. Deshalb wird zum Beispiel immer auf die gleiche Zahl beim Roulette gesetzt.
Das zweischneidige Schwert: Verlustaversion
Außerdem ist interessant, dass dieser Dopamin-Kick sogar die Verlustaversion von uns Menschen überwindet bzw. in gewisser Weise Hand in Hand mit dieser geht. Doch was ist die Verlustaversion? Ganz einfach gesagt: Verluste tun uns mehr weh als Gewinne. Daraus leitet sich unser Bedürfnis ab, bei möglichen Verlusten weniger Risiko einzugehen als bei möglichen Gewinnen.
Hier kommt es aber auch immer auf die gewählte Sprache an, wenn etwas als (möglicher) Verlust kommuniziert wird, dann sind wir eher vorsichtiger, während uns ein (möglicher) Gewinn risikobereiter macht. Glücksspielautomaten stellen daher immer den Gewinn in den Vordergrund, um einerseits die Verlustaversion zu verhindern und andererseits uns an das Dopamin zu “erinnern”.
Der Near Miss Effekt
Wenn wir schon knietief in der Psychologie sind, möchten wir auch noch den “Near-Miss-Effekt” behandeln. Hier handelt es sich um das Gefühl, ganz knapp an einem Gewinn vorbeischrammen und natürlich das Dopamin, das dabei durch die Synapsen flutet. Unser Gehirn kann in diesem Fall nicht verstehen, dass die Automaten programmiert sind, um einen fast Gewinn anzuzeigen und der "Reptilien Teil" im Unterbewusstsein wird davon überzeugt, dass beim nächsten Mal der große Gewinn wartet. Dieser bleibt natürlich aus und wird durch einen Near-Miss ersetzt und die Spirale dreht sich weiter.
Sicher Spielen dank Psychologie
Doch wie kann man dieses Wissen jetzt nutzen, um verantwortungsbewusster zu spielen?
Es ist immer gut, sich bewusst zu werden, wie diese Mechaniken auf einen unbewusst einwirken, um sich aktiv zu “widersetzen”. So kann man zum Beispiel den Spin immer voll durchlaufen lassen, bevor der Gewinn kommt, denn die Zeit macht den Unterschied. Eine Studie in Spanien hat gezeigt, dass 10 Sekunden lange Spins das Suchtrisiko von Automaten mehr als halbieren. In Deutschland gilt, unter anderem wegen dieser Erkenntnisse, eine 5-Sekunden-Regel für Spins. Am Ende ist es wichtig, dass man weiß, dass hier Konditionierung stattfindet und dass unser Gehirn auf das Dopamin des vielleicht Gewinns aus ist. Wenn man sich das vor Augen führt, kann man andere Dopamin-Quellen suchen, damit es mit dem Spiel nicht überhandnimmt!
Faktencheck von Andreas Sagel
Autor, Casino Tests & Spielautomaten